In den letzten Wochen und Monaten ist sehr viel Bewegung in die Welt des deutschen American Footballs gekommen. Der AFVD gilt als die nationale Sportvereinigung im American Football. Dazu gibt es eine neue Liga um „Coach Esume“ und die Bewegung „Restart21“ mit Alex Sperber an der Spitze.
Alle drei Organisationen geben vor den American Football Sport zu fördern und allen geht es um das Wohl der Athleten. Ich frage mich gerade, hat denn schon mal einer die Athleten gefragt? Aber sei es drum! Ich greife dieses Thema hier auf, weil ich die Mehrzahl meiner Jahre in den verschiedensten Positionen mit diesem Sport verbracht habe, ihn mitgestaltet habe, ihn liebe und meine eigenen, prägenden Erfahrungen gemacht habe. Mein Ziel war es immer, im Sinne unserer Sportart und im Interesse der Sportler einen gemeinsamen Weg zur Weiterentwicklung im Dialog mit allen engagierten Personen zu finden, unabhängig davon, aus welcher sportpolitischen Richtung diese entstammen. Man kann sich konstruktiv über den richtigen Weg streiten, wenn man ein gemeinsames Ziel verfolgt, so meine Denkweise. Mein Appell an alle Beteiligten zum Dialog war wohl nicht eindringlich genug. Zum Nachteil der Athleten wird leider mehr übereinander als miteinander geredet. Auf jeden Fall scheint es keinen Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen (AFVD, ELF, Restart 21) mehr zu geben. Dies scheint derzeit die traurige Tatsache. Nur wo bleibt da das Wohl der Athleten?
Die Basis jedes Gesprächs sollten immer die Sportler sein. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Es gibt viele unterschiedliche Athleten. Es gibt den Athleten, der den Sport als Breitensport ausübt. Dann gibt es den Athleten, der American Football gerne in sein Umfeld der Schule oder Arbeit einbettet und ihn so lange betreibt, wie sich die verschiedenen Lebensbereiche zeitlich vereinbaren lassen. Schließlich gibt es die Athleten, die mehr möchten, die vom Ehrgeiz getrieben sind und die maximale Leistung erreichen wollen. Die an die Spitze wollen und vielleicht auch Nationalmannschaft spielen wollen. Für alle Typen von Athleten sollte es einen Platz geben. So wäre es ideal in einem guten Sportsystem.
Die wachsende Unzufriedenheit mit dem AFVD zeigt sich schon seit Jahren. Leider hat man versäumt, Kritik konstruktiv wahrzunehmen und eben nicht die Athleten gefragt. Man hat weiter verwaltet und den Verband politisch geführt. Dabei sind nun wohl einige „Athleten“ auf der Überholspur vorbeigesprintet. Der AFVD hat es dabei nicht geschafft die zukunftsorientierten und schnelleren Footballbegeisterten einzuholen oder einzufangen. Sport lebt eben von einer stetigen Entwicklung. Durch Stillstand entstehen Lücken in der Zukunft. Diese Lücken wollen gefüllt werden und es gibt Menschen, die das tun wollen. Die Politik sie mit kleinen Posten ruhig zu stellen, zieht nicht mehr. Die „European League of Football“ hat sich in der Idee von Patrick Esume gegründet. Dabei hat ihm sein ehemaliger Arbeitgeber, die NFL-Europe, die Vorlage dazu gegeben. Wer nun aber meint, dies sei eine spontane „Schnapsidee“ gewesen, der irrt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Coach Esume, das schon etliche Jahre zurückliegt am Rande der großen Sport- und Fitness-Messe FIBO. Während des gemeinsamen Mittagessens in der Messe-Cafeteria hat Patrick schon von der Idee geschwärmt. Nun ist sie also da, die ELF. Persönlich ist es für mich der konsequente Schritt in eine moderne Sportentwicklung in Deutschland. Unser Sportsystem auf das Ehrenamt zu gründen, wird immer schwieriger. Wir alle kennen den Personalmangel in den Vereinen. Die unermüdlichen ehrenamtlichen Übungsleiter und Helfer leisten immens wertvolle Arbeit aber sie stoßen an ihre Grenzen. Auch hier sind die Sportverbände gefordert, neue Ressourcen und Lösungsmöglichkeiten zu erschließen. Ein Nach- und Umdenken hätte hier schon längst stattfinden sollen. Dabei will ich nicht von einer kompletten Professionalisierung des Sports sprechen. Aber die Weichen für die Zukunft kann man stellen, wenn man das möchte.
„Restart21“ fordert neue Personen im Verband. Alex Sperber war schon ein Visionär, als er die ersten Vereine in Deutschland gegründet hatte und er ist es bis heute geblieben. Seine Vision ist dabei gar nicht so weit weg von der Realität. Denn die meisten Sportverbände haben ein ehrenamtliches Präsidium und dazu einige angestellte Personen für die tägliche Arbeit. Dies ist im AFVD an entscheidenden Stellen nicht so. Ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeit wird verquickt und es entstehen undurchsichtige finanzielle Abhängigkeiten von der Innehabung von Posten. Dies führt zur Beeinflussung von Entscheidungen, u.a. bei der Ressourcenverteilung, die – so meine Wahrnehmung – nicht immer im Sinne des Sports oder der Sportler erfolgt. Eine solche Vermischung von Haupt und Ehrenamt passt auch nicht so richtig in die nationale Organisationsform des Sports. Sicherlich ist der Verband sehr gut strukturiert und organisiert und die aktuelle Verbandsführung mit dem Präsidenten an der Spitze hat unbestreitbare Verdienste um unseren Sport erworben. Es sind in den letzten Jahrzehnten stabile Strukturen geschaffen worden, von denen unser Sport und die Athleten profitiert haben. Jedoch fehlt es komplett an einer stetigen Entwicklung des Sports.
Diese Aufgabe sehe ich als eine der originären Aufgaben eines Sportverbandes ebenso wie die Organisation und Verwaltung des Spielbetriebes. Mit der Auflösung der Nationalmannschaften erfuhr diese Richtung ihren Höhepunkt und hat den Sport international ins Abseits gedrängt. Lange schon und oft sind gerade in den Verbandsposten wenige ehemalige Spieler zu finden. Warum dies so ist, frage ich mich immer wieder und konnte noch keine wirklich befriedigende Antwort finden. Vielleicht ist es ein gewisser Frust, über den oben beschriebenen Stillstand. Als ich vom Engagement von Sebastian Tuch im hessischen Verband erfuhr, hat es mich daher umso mehr gefreut hier einen ehemaligen Nationalspieler zu sehen. Das Engagement von Sebastian kann man nur unterstützen. Es birgt die Chance, den Verband wieder näher an das Tagesgeschäft der Vereine zu bringen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir den American Football Sport nur mit einem Wechsel auf den wichtigen Schaltpositionen weiterbringen können. Etablierte Kräfte schaffen es nicht (mehr) – was ihre vergangenen Verdienste nicht schmälert – junge Athleten und ihre Unterstützer zu erreichen, ein modernes Vereinsmanagement aufzubauen und den aktuellen „Hype“ – der durch die Footballübertragungen auf Pro7 ausgelöst wurde – aufzugreifen. Zu sehr sitzt man in der Komfortzone und will diese nach all den Jahren einfach nicht mehr verlassen. Da hilft auch kein kurzfristiger Aktionismus um den Aktiven etwas vor zu machen. Es benötigt junge Ideen, Energien und Engagement, um auch international wieder eine Rolle zu spielen.